Lost Place in Brandenburg: „Little Prypjat“ erinnert an Geisterstadt bei Tschernobyl

Lost Places versprühen für viele eine schaurig-schöne Anziehungskraft. Kein Wunder, schließlich sind die Orte oft vielfältig: Alte Kraftwerke, verlassene Hotels oder gruselige Krankenhäuser liegen einsam in der Landschaft und sind dem Verfall überlassen. Einer dieser Lost Places ist der Flugplatz „Little Prypjat“ in Brandenburg.
Der Ort ist offiziell namenlos, doch Urban Explorer nennen ihn häufig „Little Prypjat“. Der reisereporter erzählt, wie der Name entstand und die lange Geschichte des Ortes.
Der heute verlassene Ort wurde im Zweiten Weltkrieg von der Wehrmacht errichtet und hieß damals Flugplatz Brand. 1938/39 wurden eine Kasernenanlage und Zuggleise zum nahe gelegenen Bahnhof errichtet. Der Flugplatz, rund 60 Kilometer südlich von Berlin, erhielt im Jahr 1939 zusätzlich eine 1000 Meter lange Landebahn aus Gras. Fliegerstaffeln waren hier jedoch zur Zeit des Zweiten Weltkriegs nicht stationiert. Bis zum Jahr 1942 diente der Flugplatz der Ausbildung von Piloten. Dafür entstand auch ein Schulgebäude.
Nach dem Ende des Kriegs übernahmen die Besatzungskräfte der Sowjetunion den Ort. In den 1950er-Jahren wurde der Flugplatz systematisch für die Frontbomber-Kampfflugzeuge ausgebaut. Der Standort war strategisch gut gelegen, denn durch Deutschland verlief die Frontlinie des Kalten Krieges.

Der ehemalige Flugplatz ist heute größtenteils verfallen.
Quelle: Felipe Tofani, CC BY-SA 2.0 via Wikimedia Commons
Zwei betonierte Start-und-Lande-Bahnen, je 2500 Meter lang, wurden errichtet – dazu eine weitere Behelfsbahn mit zwei Kilometern Länge. Rund um das Flugfeld entstanden etwa 60 befestigte Stellplätze für Kampfflugzeuge. Die massiven, mit Erde bedeckten Unterstände waren so angelegt, dass sie bei einem Angriff Schutz für die Flugzeuge boten und deshalb dezentral um die Startbahnen verteilt wurden.
Hier starteten und landeten im Laufe der Jahrzehnte vor allem Front- und Jagdbomber sowjetischer Bauart. Und mit dem Wettrüsten des Kalten Krieges wuchs auch die militärische Infrastruktur: Kommandopunkte, Wartungshallen, Treibstoffdepots und sogar ein Sonderwaffenlager, in dem nukleare Freifallbomben deponiert waren, wurden errichtet.

Die sowjetischen Truppen verließen den Flugplatz nach dem Ende des Kalten Krieges.
Quelle: Felipe Tofani, CC BY-SA 2.0 via Wikimedia Commons
Doch nicht nur die Flugzeuge brauchten Platz. Für die Tausenden Soldaten und ihre Familien wurde mitten im Sperrgebiet eine Plattenbau-Siedlung mit Schule, Kantinen, Verwaltungsgebäuden und Unterkünften errichtet.
Gebaut wurden die Wohnblöcke vom DDR-eigenen Spezialbau-Kombinat – nach dem damals weit verbreiteten Typ WB70, bekannt aus Städten wie Rostock, Leipzig oder Halle. Da in einem Luftwaffenstützpunkt viele Offiziere stationiert waren, lebten hier auch überdurchschnittlich viele Familien. Es gab eine eigene Schule nach sowjetischem Lehrplan, Spielplätze, Konsumläden – eine funktionierende sowjetische Kleinstadt mitten im Osten Deutschlands.
Nach dem Ende des Kalten Kriegs und dem Zerfall der Sowjetunion im Jahr 1991 zogen die Truppen ab und übergaben den Flugplatz an die Bundesvermögensverwaltung. Danach begann langsam der Verfall. Heute sind die Wohnblöcke, Kantinen und Flugzeughallen längst in der Hand der Natur. Die Witterung setzte den Gebäuden zu, Pflanzen und Bäume sprießen dort, wo einst reges Treiben herrschte.
Aus dem einstigen Flugplatz wurde so im Laufe der Jahre ein Lost Place, den die Fans „Little Prypjat“ tauften. Mit der alten Zeppelinhalle in unmittelbarer Nähe, in der heute das Spaßbad „Tropical Island“ beheimatet ist, erinnert der sowjetische Flugplatz nämlich an die ukrainische Stadt Prypjat, von der aus die großen Hallen des nahe gelegenen einstigen Kernkraftwerks Tschernobyl zu sehen waren. Seit der Nuklearkatastrophe 1986 liegt die Stadt in der Ukraine ebenfalls größtenteils verlassen da.
Wichtig: Das Betreten des Lost Places „Little Prypjat“ bei Berlin ist heute für Unbefugte verboten. Trotzdem ist der Ort bei Lost-Place-Fans beliebt. Wer sich unerlaubt Zutritt zum Gelände verschafft, sollte aber große Vorsicht walten lassen. Zahlreiche Gebäude sind einsturzgefährdet und im Waldboden verstecken sich mehrere tiefe Schächte, die nicht gesichert sind und ein hohes Verletzungsrisiko bergen.
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